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Andalusien – Heiliger Bimbam

28/04/2014 - Ralf Schröder

Das tut gut: Wir sind kaum draußen aus dem Flughafen von Malaga, stehen da auch schon die beiden Mietmotorräder., eine 800 GS und ein 1200 GS. Endlich wieder Frischluft und dann gleich aufs Moped. Wir müssen nur unsere Taschen festzurren, das Handgepäck in die Seitenkoffer und los geht’s. Schön, dass wir daheim vorausschauend gepackt hatten. Schon im Hamburger Airport grinsten die Security-Leute, als sie uns mit Helm und Jacke sahen: “Oh Ihr wollt heute noch fahren? Na, dann viel Spaß!” Aber eines ist klar: In Motorradhose und Stiefeln fliege ich nicht nochmal. Deshalb ist jetzt die vierspurige Straße vom Flughafen Malaga Richtung Marbella die reine Erholung: laue Luft, das Meer in Sichtweite, die Berge im Hintergrund, mehr brauche ich nicht.

Wir haben knappe zwei Wochen Zeit für unsere Tour durch Andalusien und den Süden von Portugal. Es ist die Karwoche, die Zeit, in der man kaum Zimmer bekommt und die Preise nageln dich auch ans Kreuz. Aber es ging beruflich nicht anders.

In Granada bleiben wir nur einen Tag, wir waren schon einmal in der Alhambra – so schön der Palast aus maurischer Zeit auch ist. Wir suchen uns eine der Bars und genießen das freundliche Menschengewühl. Guter Wein, leckere Tapas, bei mir macht sich wieder Zufriedenheit breit. Beschwingt gehen wir gegen Mitternacht wieder den Berg hinauf zum Hotel.

Von Granada nach Cordoba ist es nicht sonderlich weit. Wir haben uns eine nette Nebenstrecke durch Olivenhaine ausgeguckt, aber das Wetter spielt nicht so richtig mit. Kühl und grau ist es, während wir über die Dörfer bummeln. In Cordoba angekommen, scheint dann doch die Sonne. In der Altstadt weckt ein Teehaus unser Interesse, das die arabische Tradition von al-Andalus pflegt. Bunte Mosaike an den Wänden, Türen wie überdimensionale Schlüssellöcher. Und dann dieser Geruch: Es duftet nach Orangen und fremdartigen Gewürzen in diesem überdachten Innenhof. In einem Vogelkäfig im ersten Stock zwitschert was kleines, buntes Gefiedertes. Eine kleine Kanne Tee später bin ich tiefenentspannt.

Draußen vor der Tür schieben sich Menschenmengen durch die ziemlich engen Gassen der Altstadt. Ach, ja, die Karwoche, die Semana Santa. Eine Prozession bahnt sich ihren Weg. Ich habe mit der katholischen Kirche als Institution nichts am Hut, aber diese Prozession fasziniert mich: Ein Holzgestell in Kutschengröße, getragen von etwa 50 jungen Männern, darauf die Marien-statue, umgeben von hohen, brennenden Kerzen. Die Träger sind unter dem Holzgestell, sehen nichts. Etwa zehn Minuten schaffen sie, dann müssen sie abgelöst werden, so schwer ist ist das Ding. Oder genauer: Das Ding heißt  Paso und kann bis zu vier Tonnen wiegen. Spannend wird es, wenn die Hermandades den Paso um eine Ecke tragen müssen. Sie sehen ja nichts! Sie werden geleitet von außen und der scheppernde Trauermarsch gibt den Takt vor. Wir sehen die Füße: Die Träger im Kurveninneren treten fast auf der Stelle, die am äußeren Rand können aber ebenfalls keine großen Schritte machen, bei dem Gewicht. Was für eine Aktion! Als wir die erste Prozession treffen, ist es noch hell. Am Abend, als wir noch einen Blick auf die Mezquita-Kathedrale werfen wollen, geht der Spuk erst richtig los. Weihrauch wabert durch die Altstadt, mit großen Kerzen geschmückte Statuen werden in die Kathedrale getragen – und wieder heraus: nächste Runde durch Cordoba. Das ist kein Touri-sten-Spektakel, die ganze Stadt ist auf den Beinen.

Die Landschaft ändert sich, als wir von Cordoba nach Norden fahren: weite, fruchtbare Ebenen mit Feldern und Weiden. Wir verlassen Andalusien und erreichen die Extremadura. Kein Verkehr, erstklassiger Asphalt und jedes Dorf mit einer Umgehungsstraße. Ein blaues Schild mit goldenen Sternen klärt auf, dass die EU hier Schotter für guten Teer gegeben hat. Dann wollen wir den auch mal gepflegt nutzen, solange die in Brüssel nicht auf die Idee kommen, die Blitzer gleich mit zu finanzieren. Aber diese fruchtbare Gegend muss mal reich gewesen sein: Ständig sehen wir Burgen oder das, was von ihnen übrig ist. Bei Belalcázar eine große Ruine auf einem Hügel. Imposant auch die Burg bei Medellin, die einst einen Flussübergang bewachte. Merida, unser Ziel, ist eine Kleinstadt, deren Geschichte bis in die Römerzeit zurück reicht. Ein großes Areal mit Ausgrabungen im Zentrum fällt uns gleich ins Auge. Wahrscheinlich wird die örtliche Prozession deshalb von Wachleuten begleitet, die als römische Soldaten verkleidet sind.

Die Grenze nach Portugal ist auch physisch vorhanden: Ein schroffer Bergzug verstellt den Weg, die Serra de Sao Mamede. Kaum haben wir die Landesgrenze passiert, ändert sich alles: Die Straßen führen wieder mitten durch Dörfer, alte Alleen säumen das Asphaltband, es wirkt, als hätten wir gerade einen Zeitsprung gemacht. Im einem Schlag wird das Motorrad fahren wieder spannend. Sparsam aufgestellte Schilder lassen die gute Landkarte zu Ehren kommen. Unsere Route nach Coimbra, der alten Universitätsstadt, hält ohnehin noch ein paar Überraschungen bereit.

Was auf der Karte nach einer kurvenreichen Fahrt auf einer Art Bundesstraße aussieht, entpuppt sich als eine sehr einsame Kammstraße. Und die Höhenlagen sind an Ostern auch in Portugal ziemlich frisch. Über den strahlend blauen Himmel ziehen in schneller Folge weiße und schwarze Wolken, es bläst ganz gut. Leider erwischt uns eine der schwarzen Wolken voll. Und der Regen geht in weiße Flöckchen über! Wir rollern ganz vorsichtig weiter. Und schon ist der Spuk vorbei, die Sonne scheint wieder, als hätte sie nie etwas anderes getan. Angekommen in Coimbra sind wir froh über das sehr gute Vier-Sterne-Hotel mit Tiefgarage. Die Mopeds stehen trocken und wir duschen heiß.

Wie schnell sich die Landschaft doch ändern kann. Meine Streckenwahl über Leiri an die Küste war daneben gegriffen. Topfeben und ständig Bebauung rechts und links. Als wir bei Obidos nach Peniche abbiegen und endlich die Küste sehen, fängt auch dieser Tag an, Spaß zu machen. Peniche im Sonnenschein ist einfach nur schön. Ein Fischrestaurant neben dem anderen und alle Plätze belegt um die Mittagszeit. Wir müssen mit einem Platz in der zweiten Reihe vorlieb nehmen.

Lissabon überzeugt uns auf Anhieb. Wir sind froh, dass wir hier zwei Tage Zeit haben und genehmigen uns das volle Touri-Programm. Ja, ich gestehe: Stadtrundfahrt im Bus. Und dann eine kleine Kneipe am Schlossberg, wo man Weine, Käse und Oliven verkosten kann. Oh, wie lecker! Wir müssen aufpassen, dass wir nicht versacken, den wir sind am Abend noch zum Essen verabredet. Unsere Bekannten Julio und Maria laden uns in eines ihrer Lieblingsrestaurants in Lissabon ein. So guten Fisch habe ich auch in Hamburg lange nicht gegessen. Für mich steht fest, dass Lissabon (neben meiner alten Liebe Stockholm) die wahrscheinlich schönste Hauptstadt Europas ist. Da muss ich wieder hin!

Vier Tage später sitzen wir nach Abstechern ans Cabo de Sao Vincente und Aufenthalt in Sevilla wieder mitten in Andalusien. Arcos de la Frontera ist die letzte Station, bevor wir die Motorräder in Malaga wieder zurückgeben müssen. Ich kenne eine kleine, dunkle Tapas-Bar mitten in Arcos. Ja, die Wirtin steht immer noch mit dem Grill vor der Tür und macht die scharfen kleinen Würstchen. Und er empfiehlt drinnen die Weine. Älter geworden sind die Beiden, aber das Essen ist immer noch so gut wie die letzten Male. Ach gäbe es bei uns doch auch so viele, gute Tapas-Bars!

Ralf Schröder

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