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Mit dem Motorrad auf die Fähre

02/01/2014 - Ralf Schröder

Wie sichere ich mein Motorrad auf der Fähre? Tipps zum Fahren und Laschen des Bikes an Bord.

Der Kollege nebenan meint es besonders gut mit seinem Bike. Er hat schon vier Spanngurte an Sturzbügel und Kofferträgern seiner 1100 GS verknotet. Und jetzt kommt er mit noch zwei Gurten an. Na, herzlichen Glückwunsch, wenn er morgen früh die Knoten alle wieder aufpulen darf. Ich stelle mich mit der Multistrada locker daneben, spanne einen Gurt über die Sitzbank, nehme mein Gepäck und gehe.

Man muss keine Wissenschaft daraus machen, wie man sein Motorrad auf Fähren gut sichert. Etwas gesunder Menschenverstand gehört dazu,  aber der kann ja auch sonst nicht schaden. Und sein Motorrad sollte man gut kennen, außerdem hilft ein Blick auf den Wetterbericht. Wird es stürmisch oder ist die See blank?

Fangen wir mal mit dem Motorrad an. Maschinen mit einem tiefen Schwerpunkt sind grundsätzlich im Vorteil, ein hoher Schwerpunkt und ein steil stehender Seitenständer sind schwieriger. Nehmen wir eine Harley: Da ist nur in Ausnahmefällen ein Gurt nötig. Tiefer Schwerpunkt, ein solider Seitenständer mit Pinöckel gegen mögliches Wegrollen und ein massiges Gewicht: Da bewegt sich so schnell nichts. Das Gegenteil von Road King & Co ist KTM. Die Mattighofener können ja sehr viel, aber bei Seitenständern hört die Kunst auf. Der Winkel ist zu steil, die 990 Adventure kippte bei Seitenwind schon mal um. Solche Motorräder stehen an Bord von Fähren besser auf dem Hauptständer und sollten nach vier Seiten abgespannt werden.

Die Mitarbeiter der Fährreedereien verstehen sich als Einweiser; dass jemand mit Hand anlegt und hilft, ist die große Ausnahme. “Hilf Dir selbst” ist auf den meisten Fähren die Devise. Das ist insofern richtig, weil jeder Motorradfahrer sein Bike am besten kennt. Dass Kapitän, Steuermann und Erster Offizier alle Motorrad fah-ren und Ahnung haben, wie auf dem Katamaran von Fjord Line, ist die große Ausnahme. Aber der Kapitän kommt auch nicht zum Laschen auf das Autodeck.

Es gibt ein paar verschiedene Systeme, sein Motorrad sicher zu befestigen. Die einfachste Art ist in 90 Prozent der Fälle ausreichend: Man fährt das Motorrad mittig bis leicht rechts versetzt zwischen zwei Haltepunkte im Boden. Idealerweise sind es kleine, dreieckige Metallbügel, aber auch die großen Löcher in Kreuzform sind geeignet. Dann spannt man den Gurt von Haltepunkt zu Haltepunkt über die Sitzbank und zieht stramm. Um die Sitzbank zu schonen, kann man einen Lappen unterlegen. Handschuhe mit Membran sind keine gute Idee, weil die Membran beschädigt werden kann, einfache Lederhandschuhe gehen aber schon. Oder ein ausrangiertes Küchenhandtuch, ein sauberer Putzlappen oder… Vorsicht ist geboten bei Gel-Sitzbänken oder wenn man sich das Sitzkissen mit feinem Kroko-Leder hat beziehen lassen.

Ganz genial hat das die Motorrad fahrende Besatzung des Fjord Line Katamarans gelöst. Katamarane vibrieren viel stärker als normale Fähren. Zu allem Überfluss befinden sich die Motorradstellplätze an Bord des Katamarans auch noch leicht in der Schräge. Normalerweise keine guten Voraussetzungen. Aber die Jungs von Fjord Line haben einen Gurt entwickelt, der an einer Seite eine Schlaufe hat. Der wird einfach nur über die Fußraste gezogen, über die Bank gelegt und auf der gegenüber liegenden Seite in einer Öse im Boden abgespannt. Wenn man es kapiert hat, steht das Motorrad mit zwei Handgriffen bombenfest. Da es nicht alle auf Anhieb verstehen, wird auf diesem Schiff von der Mannschaft nachgelascht, damit die Motorräder auf dem Skagerrak nicht Domino spielen.

Bei starkem Seegang oder einem bedenklichen Seitenständer ist das Festmachen an vier Punkten eine Option. Wer schon mal mit dem Autozug gefahren ist, hat vielleicht die vier Laschen der Bahn übrig. Die sind sehr hilfreich. Ein idealer Punkt zum Befestigen vorn ist die Gabelbrücke, hinten können Rahmenteile als Halter missbraucht werden. Aber in beiden Fällen ist Augenmaß wichtig. Üppige Verkleidungen machen es manchmal unmöglich, Laschen an der Gabelbrücke zu befestigen. Und Alustreben am Heck sind tabu. Die sind für solche Belastungen nicht ausgelegt. Solide Kofferträger, gelegentlich auch Gepäckbrücken oder freie (Stahl)-Träger des Rahmens sind mögliche Punkte. Für Motorräder ohne Handprotektoren gibt es für den Lenker einen beidseitig überziehbaren Haltegurt, der auf die verschiedensten Motorräder passt. (Erhältlich u.a. bei Louis). Auch das sollte man nicht mit jedem Leichtbau-Lenker machen.

Ihr seht schon, es gibt viele Varianten. Genau das ist der Grund, warum die Reederei-Mitarbeiter das Laschen Euch überlassen. Ihr kennt Euer Motorrad besser. Ein Quell stetigen Ärgers sind auf manchen (nicht auf allen) Schiffen die Qualität der zur Verfügung gestellten Gurte. Ölig, nass und klemmende Ratschen werden oft bemängelt. Wenn es ideal läuft, sind die Gurte einzeln aufgehängt. Läuft es doof, zuppelt man sie sich selbst aus einem Einkaufskorb. Aber das liegt nicht nur am Bordpersonal, das liegt auch an uns Motorradfahrern selbst. Wenn jeder den Gurt am Ende der Passage irgendwo hin schmeißt, freut sich der nächste bestimmt. Und beim Thema Ratschen kann man sich (und den Nachfolgenden) das Leben einfacher machen, wenn man so wenig Gurt wie möglich beim Spannen einrollt. Die dicke Wurst muss man am nächsten Tag nämlich wieder abrollen – oder schmeißt sie halt in die Ecke, sobald der Haken ab ist. Nur mal neben-bei: Auf dem Boden sind die Gurte zudem üble Stolperfallen.

Noch ein Wort zu inländischen Fähren, sei es in Schottland oder in Norwegen oder in Kroatien. Bei kurzen Überfahrtszeiten bis zu einer halben Stunde wird in aller Regel nicht gelascht. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser: Wie steht der Wind, schaukelt das Schiff? Ist es ein kurzer Hüpfer über einen Fjord oder verläuft die Strecke nahe der offenen See? Im Zweifelsfall beim Motorrad bleiben (sofern es erlaubt ist) und zwar auf der linken Seite. Auf Strecken ab einer Stunde Fahrzeit wird innernorwegisch (Lofoten, Küstenstraße 17) ebenso gelascht wie in Schottland (Isle of Skye, Islay u.a.).

Zum Befahren der Schiffsdecks: Grundsätzlich sind die Decks aus Stahl. Manchmal ist das Metall lackiert, manchmal beschichtet. Manchmal tropft Öl darauf, manchmal leckt ein Fischlaster. Nasses Metall mit einem Tröpfchen Öl ist eine fiese Mischung. Und dann sehe ich immer wieder die coolen Jungs, die ihren Helm als Ellenbogenschoner benutzen oder auf das Gepäck schnallen. Gut, wenn es sonst nix zu schützen gibt… Der Ellenbogen bleibt sicher heil; gebrochener Ober- und Unterarm zusammen sind ja auch spektakulärer. Wenn irgendwo die Mütze auf den Kopf gehört, dann beim Befahren von Fähren! Und für alle ängstlichen Füßler noch einmal der Hinweis, dass man mit den Füßen auf den Rasten mehr Kontrolle über das Motorrad hat. Wenn es um das Befahren von Rampen geht, können eingespielte Teams das sicher zu zweit auf einer Maschine machen. Im Zweifelsfall geht die Sozia oder der Sozius die Rampe halt zu Fuß.Ein letzter Tipp betrifft das Gepäck bei Nachtfähren. Packt Eure Klamotten so, dass Ihr nur eine Tasche mit in die Kabine nehmt. Nicht die Plastiktüte aus dem linken Koffer mit den Schuhen, den Kulturbeutel aus dem Topcase und den rechten Koffer komplett. Dazu den Helm und fertig ist die Wandertag-Ausrüstung. Im ersten Treppenhaus eckt ihr mit dem Helm an, im zweiten mit dem Koffer und dann reißt die Plastiktüte ein. Am nächsten das gleiche Spiel, aber… “Sag mal, welches Treppenhaus war das gestern abend noch gleich? Äh, wo steht jetzt unser Motorrad?” Und dann geht es zwischen eng geparkten LKW auf zum Zweihundert-Meter-Hürdenlauf mit Gepäck über das Autodeck. Macht es Euch einfacher: Treppenhaus merken, nur eine Tasche und Helm und dann genießt Ihr die Passage über das Meer mit einem Bier an der Reling.

Ralf Schröder

Kommentare

Ralf Schröder
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  1. Fehlt noch der Tipp, bei Metallgitter-Rampen, die Im Bogen auf’s Schiff rauf führen, nicht zu schwungvoll um die Kurve! Sonst legst di nieder und der Fußbremshebel ist ab.

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